Wissenschaft, Praxis und Ethik
Im Bezug zur hundegestützten Pädagogik in der Schule
Die Bindung zwischen Mensch und Hund ist ein faszinierendes und vielschichtiges Thema, das sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer und ethischer Perspektive in der hundegestützten Pädagogik von großer Bedeutung ist. In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung immer mehr Erkenntnisse darüber geliefert, wie diese besondere Beziehung zustande kommt und welche psychologischen und biologischen Prozesse dabei eine Rolle spielen. Diese Bindung stellt nicht nur eine enge emotionale Verbindung dar, sondern hat auch tiefgehende Auswirkungen auf das Wohlbefinden beider Seiten.
In der Praxis spiegelt sich diese Bindung in der Interaktion, im Training und im Umgang wider, während ethische Fragestellungen die Verantwortung des Menschen gegenüber seinem tierischen Begleiter betreffen. Das Zusammenspiel von Wissenschaft, praktischer Anwendung und ethischen Überlegungen eröffnet spannende Perspektiven für das Verständnis der Mensch-Hund-Beziehung und bildet die Basis eines begründeten Einsatzes von Hunden in der Schule, KiTa und OGS.
Begründeter Einsatz
Definition und Bedeutung
Der begründete Einsatz von Hunden in der Tiergestützten Intervention (TGI) und der Hundegestützten Pädagogik (HGP) bedeutet, dass Hunde aufgrund fundierter wissenschaftlicher und praktischer Erkenntnisse sinnvoll und verantwortungsvoll in sozialen, therapeutischen und pädagogischen Kontexten eingesetzt werden, um die Entwicklungsprozesse von Menschen zu unterstützen.
Ethische Verantwortung
Ein zentraler Bestandteil des begründeten Einsatzes von Hunden in diesen Kontexten ist die ethische Verantwortung des Menschen, für das Wohl des Tieres zu sorgen. Hunde dürfen niemals als bloßes Mittel zum Zweck genutzt werden; ihre Bedürfnisse müssen ebenso berücksichtigt werden wie die der Menschen. Tierschutzgesetze und ethische Richtlinien sind einzuhalten, um das Wohl der Tiere zu gewährleisten.
Was ist Bindung?
Definitionen und die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund
Bindung im psychologischen Kontext
Bindung ist ein grundlegendes psychologisches Konzept, das durch anhaltende emotionale Nähe und gegenseitiges Vertrauen gekennzeichnet ist. John Bowlby (1969) definierte Bindung als ein starkes emotionales Band, das Sicherheit und Unterstützung bietet. Mary Ainsworth et al. (1978) erweiterten diese Theorie durch ihre Forschung zu sicheren und unsicheren Bindungsstilen.
Bindung zwischen Mensch und Hund
Hunde zeigen eine Bindung zu Menschen, die mit der von Kindern zu ihren Eltern vergleichbar ist. Sie suchen Schutz und Orientierung bei ihrer Bezugsperson, besonders in Stresssituationen. Die jahrtausendelange Domestikation hat dazu geführt, dass Hunde einzigartige Fähigkeiten entwickelt haben, Bindungen zu Menschen aufzubauen (Miklósi, 2008).
Typisches Bindungsverhalten bei Hunden
Rückversicherung (Secure Base Effect)
In unsicheren oder neuen Situationen suchen Hunde aktiv den Blickkontakt zu ihrer Bezugsperson, um Sicherheit und Orientierung zu erhalten. Dies ähnelt dem „Social Referencing“, das auch bei Kleinkindern beobachtet wird (Miklósi, 2008; Horn et al., 2013).
Nähepräferenz
Hunde zeigen eine deutliche Präferenz für ihre Bezugspersonen, insbesondere in stressreichen Situationen. Sie suchen Nähe und drücken ihre Bindung durch Verhaltensmuster wie freudiges Begrüßen nach einer Trennung aus (Topál et al., 1998).
Explorationsverhalten
Hunde nutzen ihre Bezugsperson als „sichere Basis“, von der aus sie sich in die Umgebung wagen und zu der sie bei Unsicherheit zurückkehren. Hunde mit sicherer Bindung zeigen mehr Neugier und Mut sowie verstärktes Explorationsverhalten, wenn ihre Bezugsperson anwesend ist (Palmer & Custance, 2008; Mariti et al., 2013).
Stressreduktion durch soziale Nähe
Soziale Nähe reduziert auch den Stress von Hunden und wirkt sich positiv auf ihr Wohlbefinden aus. Die Cortisol-Spiegel sinken sowohl bei Hunden als auch bei Menschen nach gemeinsamen Interaktionen (Handlin et al., 2011).
Wie entsteht Bindung?
Sichere und unsichere Bindung sowie Explorationsverhalten
Grundlagen der Bindungsentstehung
Bindung entsteht durch wiederholte positive Erfahrungen, Verlässlichkeit und konsistente Interaktionen. Dieses Prinzip wurde durch die Bindungstheorie nach Bowlby (1969) etabliert, der Bindung als emotionales Band definierte, das Schutz, Sicherheit und Unterstützung bietet. Dieses Konzept wurde später durch die Forschungsarbeiten von Ainsworth et al. (1978) erweitert, die verschiedene Bindungstypen identifizierten:
Bindungstypen nach Ainsworth
- Sichere Bindung: Das Individuum vertraut darauf, dass die Bezugsperson verlässlich ist, emotionale Unterstützung bietet und in belastenden Situationen verfügbar ist. Dies fördert Vertrauen und Exploration.
- Unsichere Bindung: Diese entsteht durch inkonsistente oder negative Erfahrungen und äußert sich in drei Hauptmustern:
- Vermeidende Bindung: Scheinbare Unabhängigkeit, um emotionale Zurückweisungen zu verhindern.
- Ambivalente Bindung: Widersprüchliches Verhalten durch starke Bedürftigkeit, gepaart mit Misstrauen und Unsicherheit.
- Desorganisierte Bindung: Widersprüchliche Verhaltensweisen und Orientierungslosigkeit, oft als Folge traumatischer Erfahrungen.
Bindung und Explorationsverhalten
Die Bindungstheorie postuliert, dass eine sichere Bindung als „sichere Basis“ dient und Exploration fördert. Kinder können ihre Umwelt erkunden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Bezugsperson verfügbar und unterstützend ist (Bowlby, 1969).
Forschungsergebnisse Mensch & Hund
- Ainsworth et al. (1978): Die „Fremde-Situation“-Studie mit Kleinkindern belegte den Zusammenhang zwischen sicherer Bindung und Explorationsverhalten.
- Palmer & Custance (2008): Hunde suchen in neuen Umgebungen Schutz und Rückversicherung bei ihrer Bezugsperson und zeigen mehr Explorationsverhalten, wenn diese anwesend ist.
- Mariti et al. (2013): Sicher gebundene Hunde verhalten sich in unbekannten Situationen entspannter und selbstbewusster. Die Anwesenheit der Bezugsperson reduziert Stress und fördert Neugier.
Auswirkungen unsicherer Bindungen
Hunde mit unsicherer Bindung zeigen oft Passivität oder übermäßige Anhänglichkeit. Ein Hund, der sich ausschließlich in der Nähe seiner Bezugsperson aufhält und kaum eigenständig erkundet, weist möglicherweise eine ambivalente Bindung auf. Trennungsstress und generelle Ängstlichkeit können diese Problematik verstärken.
Die biologische Basis: Oxytocin und Bindung
Wirkungsmechanismus von Oxytocin
Oxytocin, das „Kuschelhormon“, spielt eine zentrale Rolle in der sozialen Bindung, dem Vertrauen und dem Wohlbefinden von Menschen und Tieren. Es wird im Hypothalamus gebildet und über die Hypophyse ins Blut ausgeschüttet.
Wirkung auf die Bindung und soziale Interaktionen
- Oxytocin fördert das Entstehen und die Festigung sozialer Bindungen.
- In der Mensch-Tier-Beziehung steigert die Interaktion mit Hunden die Oxytocin-Ausschüttung im Menschen, was Vertrauen und Nähe stärkt.
Wirkung auf das emotionale Wohlbefinden
- Oxytocin wirkt als emotionaler Puffer gegen negative Emotionen wie Angst und Stress.
- Positive soziale Bindungen werden durch das Hormon gestärkt.
Physiologische Effekte
- Oxytocin reduziert Herzfrequenz und Cortisolspiegel und trägt so zur Stressreduktion bei.
Spezifische Wirkung in der Mensch-Hund-Interaktion
- Studienergebnisse: Mensch und Hund setzen Oxytocin frei, wenn sie miteinander interagieren, insbesondere durch Streicheln und Blickkontakt.
- Domestikationsfaktor: Diese hormonelle Reaktion tritt nur bei Hunden, nicht bei Wölfen auf, was auf eine evolutionäre Anpassung durch die Domestikation hinweist.
Oxytocin ist der zentrale neurobiologische Mechanismus, der die soziale Bindung zwischen Mensch und Hund unterstützt. Die Ausschüttung des Hormons durch Berührung, Blickkontakt und gemeinsames Spielen wirkt stressreduzierend und fördert emotionale Sicherheit. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass diese Reaktionen wechselseitig sind und auf eine evolutionäre Anpassung des Hundes durch die Domestikation hinweisen.
Bindung aktiv fördern
Hundegestützte Pädagogik, die Biophilie-Hypothese und die Du-Evidenz
Die Biophilie-Hypothese
Die Biophilie-Hypothese, formuliert von E.O. Wilson (1984), besagt, dass Menschen eine angeborene Affinität zu Tieren und der Natur haben. Diese Verbindung prägt unsere emotionale Beziehung zu Hunden. Wilson beschreibt Biophilie als die „angeborene Neigung, sich mit anderen Lebensformen zu verbinden“.
Diese natürliche Neigung hat evolutionäre Wurzeln, da das Überleben des Menschen oft von der Interaktion mit der natürlichen Umwelt abhing. In der Mensch-Hund-Beziehung manifestiert sich die Biophilie-Hypothese durch die tiefe emotionale Bindung, die viele Menschen zu ihren Hunden aufbauen. Hunde werden nicht nur als Haustiere, sondern als Familienmitglieder betrachtet, was auf diese tief verwurzelte biologische Verbindung hinweist.
Studien zeigen, dass die Interaktion mit Hunden positive physiologische Effekte wie die Reduktion von Stress und die Förderung des Wohlbefindens hat. Diese Reaktionen können durch die Biophilie erklärt werden, da die Nähe zu Tieren natürliche positive Reaktionen im menschlichen Organismus hervorruft.
Die Du-Evidenz
Die Du-Evidenz beschreibt die Fähigkeit des Menschen, Tiere als eigenständige Subjekte wahrzunehmen und mit ihnen in eine persönliche Beziehung zu treten. Dieses Konzept, ursprünglich von Geiger (1931) entwickelt, betont die emotionale und soziale Interaktion zwischen Mensch und Tier.
In der Beziehung zwischen Mensch und Hund äußert sich die Du-Evidenz besonders deutlich: Hunde werden oft als vollwertige Familienmitglieder betrachtet, ihnen werden individuelle Namen gegeben, und es entsteht eine tiefe emotionale Bindung. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Tiere für Menschen als Bindungsobjekte fungieren können. Positive Bindungserfahrungen mit einem Tier fördern soziale Interaktionen mit Menschen (Beetz, 2003).
Beetz et al. (2012) zeigen, dass die Anwesenheit von Hunden Stress reduziert und emotionale Stabilität fördert. Greiffenhagen betont, dass die Anerkennung des Tieres als eigenständiges „Du“ essenziell für die Wirksamkeit tiergestützter Interventionen ist.
Die Bedeutung für therapeutische und pädagogische Kontexte
Die Biophilie-Hypothese und die Du-Evidenz werden als entscheidende Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Tieren in therapeutischen und pädagogischen Kontexten betrachtet. Sie legen nahe, dass die Beziehung zu Hunden nicht nur sozial oder kulturell bedingt ist, sondern tief in unserer biologischen Natur verankert sein könnte.
Vertrauen und Widerstandsfähigkeit:
Das Bild der „Emotionalen Tasse“ und des „Vertrauenskontos“
Emotionale Tasse
Dieses Bild beschreibt die täglichen Anforderungen und Aktivitäten, die eine „emotionale Tasse“ des Hundes füllen und leeren. Soziale Kontakte, positive Erfahrungen, Sicherheit sowie Zugang zu positiven Verstärkern füllen die Tasse. Stress, negative Interaktionen, Unsicherheit und unvorhersehbares Verhalten leeren sie. Ein gut gefüllter emotionaler Speicher erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen negative Erlebnisse (Owings, 2020).
Vertrauenskonto
Ähnlich wie die emotionale Tasse funktioniert das Vertrauenskonto. Positive Interaktionen sind wie Einzahlungen auf ein Konto, während negative Erfahrungen zu Abhebungen führen. Ein ausgeglichenes Konto sichert Vertrauen und bietet ein Polster, wenn negative Erlebnisse unvermeidlich sind (Friedman, 2018).
Training als Beziehungspflege
Training, das auf positiver Verstärkung basiert, fördert eine sichere Bindung. Belohnungsbasiertes und bedürfnisorientiertes Arbeiten stärken das Vertrauen. Ein Training, das auf Gleichwürdigkeit und Selbstwirksamkeit setzt, ermöglicht es dem Hund, freiwillig und motiviert zu handeln.
Bindung entsteht durch kontinuierliche positive Erfahrungen und verlässliches Verhalten der Bezugsperson. Ein stabiles Vertrauensverhältnis fördert Explorationsverhalten und emotionale Sicherheit und trägt zu Resilienz und Stressresistenz bei. Auch ist Enrichment ein wesentlicher Faktor für das Wohlbefinden von Hunden.
Warum Gehorsam nichts mit Bindung zu tun hat
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass Gehorsam als Maßstab für eine starke Bindung zwischen Mensch und Hund betrachtet wird. In Wirklichkeit jedoch basiert eine sichere und gesunde Bindung auf Vertrauen und freiwilliger Kooperation, nicht auf Unterwerfung oder Zwang. Schöberl et al. (2017) und van Kerkhove (2004) zeigen, dass auch unsicher gebundene Hunde Gehorsam zeigen können – oft aus Angst oder Unsicherheit. Ein sicher gebundener Hund hingegen folgt Signalen aus Vertrauen und freiwilliger Kooperation. Gehorsam allein ist also kein Indikator für eine tiefe emotionale Bindung. Vielmehr sollte das Vertrauen, das durch positive und konsistente Interaktionen aufgebaut wird, die Grundlage für jede Beziehung zwischen Mensch und Hund bilden.
Ethik, Verantwortung und Methodenwahl in der Arbeit mit Hunden
Die Arbeit mit Hunden erfordert ethische Richtlinien, die das Wohl des Hundes und seiner menschlichen Bezugspersonen in den Mittelpunkt stellen. Dies umfasst auch die Anwendung wissenschaftlich fundierter Trainingsansätze, die respektvoll, effektiv und möglichst stressfrei für den Hund sind.
Die hundegestützte Pädagogik beruht auf der Biophilie-Hypothese (Wilson, 1984) und zielt darauf ab, positive soziale und emotionale Entwicklung bei Menschen durch die Interaktion mit Hunden zu fördern. Gleichzeitig müssen die Bedürfnisse und das Wohl der Tiere aktiv geschützt werden.
Prager Richtlinien
Die Prager Richtlinien (2016) geben ethische Standards für den Einsatz von Hunden in therapeutischen und pädagogischen Kontexten vor. Sie fordern, dass der Hund niemals als „Werkzeug“ betrachtet wird, sondern als Partner mit eigenen Rechten.
Wohlbefinden und Tierschutz
Studien von Beetz et al. (2012) zeigten, dass Hunde in therapeutischen Kontexten weniger gestresst sind, wenn sie Wahlmöglichkeiten haben und die Interventionen an ihre Bedürfnisse angepasst werden. Diese ethische Verantwortung geht über den rein praktischen Nutzen hinaus und stellt das Tierwohl in den Vordergrund.
Least Intrusive Principle nach Susan Friedman
Grundlegende Prinzipien
Susan G. Friedman, eine angesehene Verhaltensanalytikerin, entwickelte das „Least Intrusive Principle“, das als ethische und methodische Grundlage für die Arbeit mit Tieren gilt. Ihr Ansatz verlangt, dass im Training und in der Verhaltenstherapie die am wenigsten invasiven und belastenden Methoden angewendet werden, die gleichzeitig effektiv sind.
Die „Behavioral Roadmap“ nach Friedman (2009)
Friedman entwickelte u.a. dazu die sogenannte „Roadmap“, die fünf ethische Handlungsschritte umfasst. Diese geben klare Anweisungen, wie Interventionen in der Verhaltenstherapie aufgebaut sein sollten:
- Verhaltensziele definieren: Präzise und messbare Ziele werden gesetzt.
- Verstärkung bevorzugen: Positive Verstärkung wird systematisch angewendet, um gewünschtes Verhalten zu stärken.
- Wahlmöglichkeiten schaffen: Tiere sollten möglichst viele Wahlfreiheiten haben, um Kontrolle über ihr Verhalten zu erlangen.
- Aversive Reize vermeiden: Strafbasierte Methoden sind auch nicht im Sinne der Effektivität einzusetzen.
- Ethik als Entscheidungsrahmen: Entscheidungen basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und ethischen Überlegungen.
Das LIFE-Framework
Das LIFE-Framework (Learning, Interaction, Freedom, Empowerment) von Fernandez (2019) betont, dass Hunde durch aktive Einbindung und Entscheidungsfreiheit bessere Lernergebnisse erzielen. Die folgenden Prinzipien stehen im Mittelpunkt:
- Learning (Lernen): Der Hund wird kontinuierlich durch positive Erfahrungen gefördert.
- Interaction (Interaktion): Eine kooperative Beziehung zwischen Hund und Trainer wird aufgebaut.
- Freedom (Freiheit): Der Hund erhält Wahlmöglichkeiten und Kontrolle über bestimmte Aspekte des Trainings.
- Empowerment (Befähigung): Der Hund wird unterstützt, um selbstständig angemessenes Verhalten zu zeigen.
Das LIFE-Framework setzt auf Tierschutz, indem es den Hund als Partner respektiert und ethische Prinzipien wie das Vermeiden von Zwang und Bestrafung betont. Es fordert, dass das Wohl des Tieres immer an erster Stelle steht und keine aversiven Methoden angewendet werden.
Ethische Verantwortung und wissenschaftliche Fundierung
Positive Verstärkung als Kernprinzip
Studien belegen, dass positive Verstärkung im Vergleich zu Bestrafung nachhaltigere Lernergebnisse und weniger Stress erzeugt (Friedman, 2018; Schöberl et al., 2017). Belohnungsbasiertes Training fördert nicht nur die Kooperation, sondern stärkt auch die Mensch-Hund-Bindung.
Vermeidung von Zwang und Strafen
Schöberl et al. (2017) betonen, dass Hunde, die aus Angst oder Zwang handeln, eine geringere Lebensqualität und schwächere Bindungen zu ihren Bezugspersonen entwickeln. Friedmans Ansatz unterstützt dies durch die Forderung nach einem systematischen Verzicht auf aversive Reize.
Wahlfreiheit und Kontrolle
Fernandez (2019) beschreibt in seinem LIFE-Framework die Bedeutung der Wahlfreiheit als zentralen Faktor im Hundetraining. Dies entspricht Friedmans Ansatz, wonach Tiere aktiv in Lernprozesse einbezogen und nicht zu Verhaltensweisen gezwungen werden sollten.
Verhaltenstraining als Kooperationsprozess
Friedmans Roadmap fordert, dass das Training als kontinuierlicher, auf Vertrauen und Respekt basierender Prozess verstanden wird. Studien wie Beetz et al. (2012) und Schöberl et al. (2017) belegen, dass gewaltfreies Training stressreduzierend und bindungsfördernd wirkt.
Die Prager Richtlinien im Zusammen hang mit Susan Friedmans „Least Intrusive Principle“ und ihrer „Behavioral Roadmap“ sowie das LIFE-Framework von Fernandez stellen ethisch fundierte Ansätze dar, die wissenschaftlich belegt und praxisorientiert sind. Durch die Anwendung dieser Prinzipien wird das Wohl des Hundes in den Mittelpunkt gerückt. Trainingsmethoden, die auf Vertrauen, Wahlfreiheit und positiver Verstärkung basieren, stärken nicht nur die Bindung zwischen Mensch und Hund, sondern sichern auch eine nachhaltiges Training im Kontext der hundegestützten Pädadogik.
Fazit
Die hundegestützte Intervention ist ein komplexes und multifaktorielles System, in dem Bindung und Training eng miteinander verknüpft sind. Die Qualität der Bindung zwischen Mensch und Hund bildet die Grundlage für Vertrauen und emotionale Unterstützung, während das gezielte Training des Hundes sicherstellt, dass er die Anforderungen der Intervention erfüllen kann, angemessene Startegien zum Umgang erlent hat und seine Bezugsperson als „Safe Base“ erlebt. Nur durch die gelungene Kombination dieser Elemente kann die HGP ihre volle Wirksamkeit entfalten und sowohl den Menschen als auch dem Hund zugutekommen.
Hund #Bindung #Oxytocin #Tierpsychologie #Verantwortung #Hundetraining #PositiveVerstärkung #Ethik #Hundeliebe
Fotos: Stock.adobe.com – generiert mit KI
Quellen:
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